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Stadtentwicklung ohne Wertorientierung?

Die erste »Denkbar« mit Dr. Slawig im Café Hutmacher

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Dr. Johannes Slawig, Stadtdirektor/Kämmerer

Was macht die politische Kultur in unserer Stadt aus und wie kann man Sie verändern? Soll die Definition neuer Leitlinien der Stadtentwicklung mit Hilfe politischer Wertorientierung vorgenommen werden? Welche Ziele sollen wir anstreben, um eine gute Zukunft zu haben? Oder sollen wir einfach nur etwas anders machen? Ist es für den mächtigsten Mann der Stadt schwer, mit den Bürgern auf Augenhöhe zu kommunizieren? Bei der ersten »Denkbar« im Café Hutmacher in Utopiastadt gab Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig am Beispiel des aktuell laufenden Verfahrens Wuppertal 2025 erhellende Einblicke in politische Kultur und Praxis Wuppertals. Dieter Hofmann hatte den Chef der Wuppertaler Verwaltung zum Dialog eingeladen und stellte die Fragen. Der Stadtdirektor sah wenig Bedarf für ideelle Orientierung durch Parteien auf der kommunalen Ebene. Erstaunlicherweise wird das derzeit laufende Entwicklungsverfahren ohne politische Legitimation durch den Rat durchgeführt. Slawig hat das Verfahren aus eigener Machbefugnis initiiert. Die Kommunalpolitiker können sich zwar, ebenso wie die Bürger, on- und bedingt auch offline über das Verfahren und die diskutierten Themen informieren. Eine politische Steuerung ist jedoch nicht vorgesehen. Erst nachdem die Verwaltungsspitze in Zusammenarbeit mit Universität, Stadtsparkasse und Stadtwerken sich auf Ihre Favoriten für die Zukunftsprojekte Wuppertals geeinigt haben, werden diese dem Rat zur Bestätigung vorgelegt. Die Politikferne des Verfahrens betonte der Stadtdirektor, als er darauf hinwies, dass er selbst ein eher inaktives Mitglied der CDU und die beauftragte Agentur Scholz & Friends keineswegs – wie in der Presse kolportiert – CDU-nah sei. Dieter Hofmann wies darauf hin, dass Slawig es abgelehnt habe, die Geschäftsführerin von Scholz & Friends vor einer offenen Bürgerversammlung sprechen zu lassen, während sie exklusiv den Wuppertaler CDU-Mitgliedern Auskunft geben durfte. Dass dies mit dem neuen CDU-Positionspapier »Die CDU Wuppertal als moderne Großstadtpartei« zusammenhängt, in dem es explizit heißt »Das CDU-Mitglied sollte besser informiert sein als die Bürger«, wollte der Stadtdirektor nicht bestätigen.

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Dieter Hofmann, Moderation »Denkbar«

Dieter Hofmann stellte in kurzen Exkursen die Verfahren zur Entwicklung von Stadtentwicklungskonzepten in Nürtingen und München vor. Sowohl die Kleinstadt, als auch die Millionenstadt legen von Anfang an sehr viel Wert auf die Transparenz der Verfahren, eine klare Wertorientierung an der Leipzig-Charta zur nachhaltigen Stadtentwicklung, eine durchgängige Bürgerbeteiligung in allen Verfahrensstufen, sowie eine enge Einbindung in den politischen Prozess der Räte. Auch die Zeitdauer der Verfahren ist jeweils mehr als doppelt so lang wie das Wuppertaler Verfahren. Er habe das Verfahren aus dem Kommunalwahlkampf heraushalten wollen, so Slawig. Die Einbindung der Politik sei ausreichend gewährleistet und der Zeitraum zwar knapp aber ausreichend. Ihm sei es wichtig gewesen, keine Ideen aus dem Verfahren auszuschließen, deshalb hätte er sich auch gegen eine Fokussierung auf Megathemen wie Bildung, Energiewende, Alterung der Gesellschaft, Schrumpfung der Stadt etc. entschieden. Alle Ideen sollten zunächst mal auf den Tisch. Nichts habe er ausschließen wollen. 132 Vorschläge kamen von den Bürgern und sind bereits online einsehbar. Sobald die 4 Arbeitskreise ihre eigenen Ideen entwickelt haben, würden auch diese im Beteiligungsportal eingestellt. Danach beginne Teil zwei der Bürgerbeteiligung. Dann könnten auch noch weitere neue Vorschläge eingebracht werden.

Alle Arbeitskreise könnten auf alle Bürgervorschläge zugreifen und sich bei der Projektentwicklung aus dem Ideenfundus bedienen. In den Arbeitskreisen direkt dürfen die Bürger jedoch nicht mitwirken. Die Besetzung der Arbeitskreise mit 60 Personen, davon 16 Frauen, 2 Jugend- und 1 Migrantenvertreter, sei dem Wunsch geschuldet, die gesellschaftlich repräsentativen Organisationen einzubinden. Angesichts der Tatsache, dass die Jugend zur erklärten Kernzielgruppe des Verfahrens gehört, wirkte die Argumentation wenig überzeugend. Die Idee, dass in den nächsten Monaten eben die Bürger die Arbeitskreise zum Gespräch einladen müssten, um einen lebendigen Diskurs über die Zukunft Wuppertals zu führen, schien der Verwaltungschef durchaus charmant zu finden.

Die fast 50 Gäste im Café Hutmacher hatten in der zweiten Hälfte der »Denkbar« Gelegenheit Ihre Fragen und Einschätzungen vorzubringen. Mehrfach wurde kritisiert, dass die Stadt nicht ausreichend klar gemacht habe, was man denn eigentlich von den Bürgern erwarte. Die zeitliche Überschneidung mit dem Beteiligungsverfahren am Haushalt sowie die fehlende Trennschärfe der Verfahren wurde ebenso moniert, wie die inhaltlich »schwache und krude« Analyse, die Scholz & Friends als Begründung dafür vorgelegt hatte, dass man nun etwas anders machen müsse. Der Stadtdirektor gelobte Besserung. Nicht die beauftragte Agentur, sondern die Stadt selbst sei für die Kommunikation verantwortlich. Man habe den Kommunikationsbedarf sicherlich unterschätzt. Die Defizite seien erkannt und man sehe sich in der Pflicht, hier massiv besser zu werden.

Mit dem Appel, die Bürger doch zukünftig systematisch in das Design und die Durchführung von Beteiligungsverfahren einzubinden, verabschiedete Dieter Hofmann bei Dr. Slawig nach knapp zwei Stunden. Als Gastgeschenke gab es eine Ausgabe des Utopiastadt-Magazins und das Buch »Kommunale Intelligenz« von Gerald Hüther. War das Experiment »Denkbar« geglückt? Das Publikum votierte auf diese Frage abschließend per Handzeichen deutlich positiv. Man kann sich also schon jetzt auf weitere Veranstaltungen dieser Art im Café Hutmacher freuen.

Text: Dieter Hofmann